Donner und Gloria

Foto: Markus Jahn Jawoll, das war ein Saisonauftakt nach Maß: zweiter Platz bei den 1000 Kilometern von Hockenheim in der Klasse 4, bei den Big Twins. Praktisch ohne echtes Training auf dem Motorrad – einer Aprilia RSV Mille von Aprilia Boxenstopp (www.boxenstopp-motorradtechnik.de) – und ohne in Ruhe ein Setup ausknobeln zu können.
Hat trotzdem alles funktioniert – und Riesenspaß gemacht. Ein dickes Dankeschön an Karsten Richter, die Boxenstopp-Crew und meinen Teamkameraden Ralf Schwickerath. Sauschneller Kerl übrigens.

Die Veranstaltung begann mit einer Schrecksekunde am Freitagabend, direkt vor der technischen Abnahme und dem anschließenden Gang in den Parc Fermé: Ein Wackelkontakt am Zündschalter, der sich als gebrochenes Kabel herausstellte. Jetzt bloß keine Hektik, irgendwo im Fahrerlager muss sich doch ein Lötkolben auftreiben lassen!
Ein Yamaha-Team hatte einen dabei, die Reparatur war damit im Nu erledigt. Die Abnahme reine Formsache. Fast. Denn bei der Geräuschmessung wären wir fast gestrauchelt. Die Mille lag gerade noch in der Toleranz, trotz dB-eater – und durfte ihren Platz im Parc Fermé einnehmen.


 

Teil 1, die Dauerprüfung

Foto: Markus Jahn Ostersamstag, 8 Uhr früh, frostige 7 Grad in Hockenheim. Im Minutenabstand winkt der Marshall an der Ausfahrt der Boxengasse jeweils 10 Fahrer zur Dauerprüfung auf die Strecke. So lange, bis alle 150 Teams unterwegs sind. Um 8:13 Uhr ist die Boxenstopp-Aprilia dran. 179 Runden warten. Ralf nimmt die 1000 Kilometer von Hockenheim in Angriff. Vorsichtig, mit 2:20er-Runden, um die Bridgestones und sich auf Temperatur zu bringen. Nur kein Übermut in den ersten Runden.

Ralf und die Reifen kommen offenbar langsam auf Temperatur, die Zeiten purzeln, während die ersten Teams bereits die Schneisen in den Hockenheimer Kies pflügen. Nein, Übereifer zahlt sich auf der eiskalten Strecke nicht aus. Ralf spult derweil seine Runden ab wie ein Uhrwerk, konstant mit Zeiten um 2:00 min. Nach 23 Runden kommt er rein. Tanken, Kette checken, Fahrerwechsel und wieder raus.
Die Mille funktioniert einwandfrei. Hatte beim ersten Roll-out zwei Wochen zuvor das Setup noch gar nicht gepasst, musste es für das Rennen nach Augenmaß geändert werden. Zeit zum Testen war keine mehr. Aber die Änderungen die wir vorgenommen hatten, waren Volltreffer. Die Mille marschiert prächtig, liegt sauber, könnte nur etwas forscher bremsen. Jaja, die Sinterbeläge...

Foto: Markus Jahn Nach 3, 4 Turns beginnt die Sonne, sich gegen die morgendliche Kühle durchzusetzen. Kiesbesuche und technisch bedingte Ausfälle haben das Feld ein wenig lichter werden lassen – und schon pendeln sich unsere Zeiten zwischen 1:56 und 1:58 ein. Das schafft massig Reserven für die Boxenstopps. Es läuft wie geschmiert. Dani an der Boxenmauer hält die Piloten mittels Boxentafel auf dem Laufenden, Karsten, Boris und Ralf fertigen bei den Tankstopps die Mille zuverlässig ab.
Bei Rennmitte fliegen die Sinterbeläge raus, schärfere Carbon-Pads müssen her. Etwas mehr Zugstufe hinten, ein neuer Hinterreifen, und ab da läuft es so richtig gut, die Zeiten sinken nochmals. So weit, dass wir mit massig Zeitpolster den letzten Boxenstopp in Angriff nehmen können. Was auch bitter nötig ist. Denn acht Einzelbeläge in den Radial-Zangen wechseln, das dauert. Nochmals ein Satz neuer Bridgestones, neue Bremsbeläge, voll tanken. Und dann drei Runden lang vorsichtig alles anfahren für die abschließende Sprintprüfung.


 

Teil 2, der Sprint

Foto: Markus Jahn Alles klar, Schwicki macht den Startfahrer. Scheint ihm eh zu liegen, die Startsau rauszulassen und gleich in der ersten Kurve ein paar Ahnungsose zu schnupfen. Le-Mans-Start. Mein Job ist es, das Motorrad zu halten. Unsere Mille steht auf Platz 17. Scheint Schwicki aber herzlich wenig zu interessieren. Als die Flagge fällt, stürmt er los, hechtet aufs Motorrad und knallt davon wie ein Irrer. Resultat: Platz 5 nach der zweiten Runde.
Und so geht es weiter. Ein Konkurrent nach dem anderen muss dran glauben. Bis er auch den Favoriten, Rainer Kopp, überholt hat. Unfassbar. Die Führung! Meter für Meter setzt sich Ralf ab. Die Boxengasse ist derweil gespenstisch leer, alle Tore verschlossen. Nur die restlichen Fahrer stehen zum Wechsel bereit. Fahrertausch in Runde 8 war ausgemacht.

Wie verabredet biegt Ralf in die Boxengasse ein. Aber was zum Teufel ist denn das? Er steckt in einem Pulk von Piloten, die alle zum Wechseln kommen und im Bummeltempo hereinschleichen. Ach du Scheiße! Eine Handvoll furchtbare Sekunden verstreichen, bis Ralf die Mille übergibt, dann endlich kann ich los.
Platz 1 ist inzwischen flöten. Aber nicht lange: Bereits nach zwei Runden ist die Führung wieder in Boxenstopp-Hand. Die Mille liegt astrein, und der Motor geht wie’s Messer, glüht bombastisch die langgezogene Parabolika hinaus. Vier Runden vor Schluss dann eine Schrecksekunde: Einzelne Regentropfen platschen ans Visier. Oh gütiger Petrus, alles, bloß das nicht. Er muss es gehört haben, der Himmel hält dicht.

Foto: Markus Jahn In der vorletzten Runde passiert es: Michael Roth presst sich mit seiner Ducati 999S beim Anbremsen aus Tempo 260 vor der Spitzkehre innen hinein. Soll ich ihm die Tür zuschlagen? Besser nicht. Aber richtig schneller ist er auch nicht, hätte ich Idiot doch mal...
Nebeneinander biegen wir ab, beschleunigen Rad an Rad auf den schnellen Rechtsknick vor der Mercedes-Tribäne zu. Er hat die bessere Linie und ist innen, ich habe das Duell verloren. Egal. Die Schlussattacke soll vor der Sachskurve steigen. Aber beim Einbiegen ins Motodrom kommt ein überrundeter Fahrer in die Quere. Bleibt nur, das Gas zuzudrehen. Der Schwung ist futsch, die Attacke verpufft. Was soll’s. Alles heil geblieben, Mordsspaß gehabt und bei unserem ersten Auftritt den zweiten Platz erkämpft. Petrus’ Geduld ist inzwischen am Ende. Es beginnt zu regnen. Und wir das Feiern.

Und was kommt jetzt?

"Wenn du denkst, es geht nicht mehr..." Hatte das Thema Prädikats-Rennen mangels Kohle abgeschrieben und mich auf die Pro Thunder eingestellt. Aber jetzt fällt der Hammer: Mein Freund Karl-Heinz Köppl von Motomeccanica wollte mit einer 749S in die Superstock 600 einsteigen. Bei Direttore Steiner vom DMSB (www.dmsb.de) hatte ich schon erreicht, dass die 749S, die eigentlich nicht auf der Liste der homologierten Maschinen stand, fahren darf.
Und jetzt hat Karl-Heinz nachgelegt: Wir fahren eine 999S in der Superstock 1000! Sicher, gegen die Vierzylinder-Reaktoren werden wir auf schnellen Strecken herzlich wenig zu erben haben. Aber es sollte uns doch gelingen, die Kilo-Gixxer und Fireblades ganz gehörig zu ärgern. Freue mich jedenfalls schon gewaltig. Sobald die erste Schlacht geschlagen ist, folgt der Rennbericht.