Rundstreckenpokal

Superstock 1000

Der Plan meines Freundes Karl-Heinz war so bekloppt, dass er schon wieder gut war: "Fahr doch", meinte er, "statt Supersport mit einer Ducati 999S in der Superstock 1000, die Vierzylinder aufmischen." Dumm nur, dass keinerlei Tuning erlaubt ist, Stocksport eben. Damit waren etwa 40 PS Leistungsnachteil zu kompensieren, vom höheren Gewicht der Duc gegenüber den Fours ganz zu schweigen. Auf der Haben-Seite: ein 1-a-Fahrwerk, das Messer zwischen den Zähnen und der Underdog-Bonus; da sollte doch a bissl was gehen.

Allerdings landete ich beim ersten Rennen in Hockenheim mit der Ducati ganz schnell ganz auf dem Boden der Tatsachen. Von wegen "mit Kampfgeist und einem Schuss Wahnsinn lässt sich auf der Bremse einiges machen". Auf jeder halbwegs langen Geraden macht dich selbst der größte Vollpfosten mit seinem Reihen-Vierer dermaßen nass, dass es dir das Wasser in die Augen treibt – und anschließend steht er dir in der Kurve im Weg. Mit den wirklich schnellen Jungs kann man sich eh nicht matchen. Da fehlt einfach der Druck, um dranzubleiben.

Das Allerschlimmste: Selbst beim dritten Lauf in Hockenheim auf dem kleinen Kurs, wo ich mir wirklich was ausgerechnet hatte, war nix zu machen. Bei 40 Grad Hitze kochte die Duc sogar im Rennen fast ab. 107 Grad Wassertemperatur blubberten die Leistung aus den Zylindern. In der letzten Runde musste ich mich sogar noch ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr auf der Zielgeraden vom letzten Treppchenplatz auf Rang 4 zurückschicken lassen.

So waren in den ersten Läufen in der Regel so um die sechsten Plätze unser Lohn. Und nach dem dritten Lauf in Hockenheim war das Leben von Karl-Heinz und damit das Fahren auf Ducati zu Ende. Was blieb, war ein riesiges Loch in mir.

In dieser Situation sprang dann Karsten Richter (genau: der von den 1000 km Hockenheim) mit breiter Brust und einer Aprilia RSV Mille in die Bresche.Von da an ging die Post ab. Erster Hammer: Schleiz. Trockenes Training, nasses Rennen. Platz 4, knapp hinter dem Stockerl.

Dahlem, Flugplatzkurs. Keine tolle Strecke, aber klasse Grip. Viel Stop-and-go und Vollgas, eigentlich kein Vorteil für einen Zweizylinder. Aber auch ein paar Schikanen, wo man mit Mordsspeed reinknallen und Meter gutmachen kann. Die Mille musste heftig ran, wurde ausgepresst bis zum Letzten. Hat sich mit einem gerissenen Krümmer und nachlassender Leistung gegen die Quälerei gewehrt. Lohn der Materialschlacht: zweimal dritter Platz, zweimal Treppchen!Und damit Dritter Gesamtrang! Christopher, der mit dem langsamsten T4 der Welt und Wohnwagen die Ochsentour von Harpstedt nach Dahlem auf sich genommen hatte, um für mich zu schrauben, freute sich wie wild.

Dann kam Frohburg. Shit, nur Vollgas und das auch noch einen guten Kilometer bergauf. Christopher war wieder mit dabei – ein gutes Omen? Na ja, wie man’s nimmt. Eigentlich hatte ich mich auf den Gang zur Schlachtbank eingestellt.
Dann kam es etwas anders: Spitzenstart (wir gingen mal wieder zusammen mit der Open auf die Hatz), vom 20. auf den 12. vorgeprescht, nach der ersten Kurve hat mich der führende Vollgas-Pulk förmlich im sechsten Gang in den Begrenzer und die lange Gerade hinaufgesogen. Am Ende sprang im ersten Rennen ein überraschender sechster Platz heraus, direkt hinter dem Meisterschafts-Zweiten Onno Bitter. Gegen die anwesenden bekloppten Road-Racing-Irren von der Insel war hier sowieso kein Kraut gewachsen.

Noch besser lief es im zweiten Rennen: Bomben-Start, Achter nach der ersten Runde. Dann kam auch schon der erste Vierzylinder an, konnte sich aber bis Start/Ziel nicht absetzen. Beim Einbiegen in die lange Vollgas-Bergauf passierte es: Kleine, weiße Rauchfähnchen kräuselten aus dem Verkleidungskiel heraus, und einen Wimpernschlag später ging der Motor hoch. In einer sensationellen weißen Rauchfahne, wie man sie sonst nur in der F1 sieht. Der Pilot schien es nicht zu schnallen und zog mit Vollgas den ganzen Anstieg hoch. Ich konnte praktisch nichts sehen, hatte Öl auf der Verkleidung und dem Visier. Aber diesen Super-Platz aufgeben? Niemals. Also Abstand genommen und hinterher. Am Ende der Passage war alles Öl ausgekotzt, der Nebel lichtete sich, und die Reisschüssel verendete kläglich. In der folgenden halben Runde galt es, das Öl vom Visier zu wischen, Reifen und Bremsen vom Ölnebel frei zu fahren und zu retten, was zu retten war. Hinter der Verkleidung kauern war eh nicht mehr drin, die Scheibe war zugeschmiert. Und dann wurde der designierte Meister Dirk Schnieders immer langsamer: Schaltgestänge ab. Damit war der Weg zum vierten Platz frei, Gesamtrang 3 so gut wie unter Dach und Fach.

Damit ging es zum Finale nach Oschersleben. Und es fing ganz wüst an: freies Training, Regen, von Autos gummierte Piste – Schmiersseife. In der dritten Runde des ersten Turns klappte Ende Start/Ziel auch plangemäß das Vorderrad ein; was für ein Einstieg! Das zweite nasse Training ließen wir vorsichtshalber ausfallen und setzten auf das letzte Quali. Es wurde tatsächlich trocken, aber mit 1:37,5 war ich nicht so richtig zufrieden.
Als nach der Einführungsrunde der Druckpunkt der Bremse schon fast am Lenker war, schwante mir schon Schlimmes. So gesehen musste ich über den sechsten Platz noch froh sein.

Foto: Glänzel

Für den zweiten Lauf hat Christopher dann gleich eine andere Bremsanlage eingebaut. Und damit lief’s: Endlich war auf der Bremse was auszurichten. Die Spitze war halbwegs in Sichtweite, die Zeiten mit 1:36 absolut im grünen Bereich, und so nach und nach ließ bei einigen Mitstreitern wieder die Kraft nach. Zuerst musste eine R1 dran glauben, das hieß schon mal Rang 5. Dann kam Thorsten Borgmann ins Visier, gegen seine Suzuki ging auf der Geraden nix. Geduld, Geduld bis zur letzten Runde. In der Kellner/Teuchert-Kurve sollte es passieren, aber genau da kamen Überrundete. Also Attacke in der letzten Kurve: Thorsten bremste früh, ließ die Tür herrlich weit offen, danke für die Einladung – Bingo! Jetzt nur noch den Hahn auf Anschlag halten, die Zielflagge war schon zu sehen und ... plötzlich schmierte mein Hinterrad weg. Zu allem Überfluss war Thorsten auch schon voll am Durchladen, konnte nicht mehr ausweichen und purzelte gleich mit mir in den Kies. Zum Glück konnten wir beide unsere Maschinen aufheben und noch ins Ziel fahren. Aber so reichte es uns nur für die Plätze 9 und 10. Sorry, Thorsten. Er nahm es sportlich. Christopher, der wieder Arbeit hatte, auch. Und Karsten sowieso, den schmeißt irgendwie gar nix um.

So sind wir in der Endabrechnung Dritter, der beste Zweizylinder im Pokal.

Von diesem Fauxpas einmal abgesehen ging eine tolle Saison zu Ende, für die ich ein ganz dickes Dankeschön loswerden muss: